Ricky hat es geschafft. Er ist 23 und wird endlich gesund und ungebrochen aus der Psychiatrie entlassen. Dort hatte man ihn verklappt, weil er als Waise immer wieder aus den Kinderheimen und Erziehungsanstalten ausgebrochen war. Jetzt kennt er nur noch ein Ziel: die Frau, die er liebt, für sich zu gewinnen. Er möchte sie zu sich zu holen, wie er es ihr schon bei einer seiner Fluchten versprochen hatte. Da sie sich an Nichts erinnert und ihn nicht anhören will, greift er kurzerhand zu seiner eigenen Methode. Er entführt sie, um in Ruhe mit ihr Reden zu können und ihre Liebe zu gewinnen.
Da fragt sich der Zuschauer: Wie soll das gehen? Wie soll Gewalt zu Liebe führen? So etwas ist auch nur beim spanischen Regie-Zauberer Pedro Almodóvar möglich. Er macht daraus eine durch und durch romantische Liebesgeschichte, ein Märchen. Oberflächlich betrachtet ist Ricky ein Soziopath, der eine Frau festbindet und schlägt. Schwer zu verstehen, wie er gleichzeitig eine so sympathische Figur sein kann, die altmodischen Werten verhaftet ist. Ricky fesselt Marina, tut es aber mit Widerwillen, weil er sich dazu gezwungen glaubt. Er nutzt die Situation nicht aus und fasst sie nicht an. Schließlich muss noch der Zufall zu Hilfe kommen, um das Herz von Marina zu erweichen. Sicherlich ist es auch hilfreich, dass Ricky alias Antonio Banderas ein 'Inbegriff von Jugend und Schönheit' ist, wie der Regisseur es nennt. Auch dass Marina nicht von Klosterschwestern erzogen wurde und schon einiges hinter sich hat, trägt viel zur Glaubwürdigkeit der Geschichte bei.
Der Film ist eine runde Sache. Einmal mehr sehen wir, dass niemand Geschichten besser erzählen kann als Pedro Almodóvar und dabei Kunstwerke schafft, die an den Filmhochschulen als Unterrichtsmaterial verwendet werden. Das Besondere ist, dass er es in 'Atame!' mit viel weniger Aufwand schafft, als bei seinen anderen Filmen. Es gibt keine überaschenden Wendungen, keine Geheimnisse, keine Verwicklungen und doppelte Böden. Und gerade durch diese Schlichtheit wird daraus ein Film, der uns mitten ins Herz trifft. Wenn Sie diesen Film noch nicht gesehen haben, sind Sie in der beneidenswerten Situation, die zwei Stunden Hochgenuß noch vor sich zu haben.
Sprache:
Der Film ist sehr gut verständlich. Die Akustik ist hervorragend, weil der Text durchgehend im Tonstudio nachgesprochen wurde. Das Spanisch ist ebenfalls gut verständlich es gibt vorwiegend kurze und einfache Sätze. Der Film hat außerdem deutsche Untertitel und auch deutsches Audio. Auch das hervorragende Bonusmaterial eignet sich zum Lernen, weil es ebenfalls gut verständlich und sogar mit deutschen Untertiteln hinterlegt ist. Deshalb wird diese DVD mit dem Stern ausgezeichnet.
Extras:
Das Bonusmaterial gehört zum Besten, was man bekommen kann. Der Film wurde schon 1990 fertiggestellt. 13 Jahre später hat man ein Gespräch zwischen Pedro Almodóvar und Antonio Banderas über den Film, die Dreharbeiten und die Zeit, in der der Film entstand, aufgenommen. Zu dieser Zeit hatte sich Antonio Banderas bereits in den USA etabliert. Das Gespräch fand daher in Los Angeles statt. Es ist ungeheuer interessant zu hören, wie die beiden nach diesen Jahren über den Film denken und an was sie sich erinnern. Man erfährt, dass die Karriere von Antonio Banderas mit diesem Film wie eine Rakete abging und wundert sich auch nicht darüber, nach der großartigen Leistung, die er in der Rolle gezeigt hat. Interessant auch, dass der Film ein Gegenentwurf zu der Atmosphäre war, die damals in Spanien und insbesondere in Madrid herrschte. Ricky sucht ein normales Leben mit Familie, Job, Auto und Wohnung. Die Spanier dagegen wollten auch 15 Jahre nach Ende derDiktatur aus der Normalität ausbrechen und sich so gut nur irgend möglich amüsieren.
Es ist ein Genuß, diese beiden Männer so zu erleben, wie sie in diesen 26 Minuten ihres Gesprächs sind.
Auch die spektakuläre Liebesszene zwischen Antonio Banderas und Victoria Abril, von der der große Hollywood-Regisseur Elia Kazan sagte, es sei die beste Sexszene, die er je gesehen hätte, wird von den beiden ausgiebig beleuchtet. Man erfährt genau wie der Dreh ablief und was entscheidend dafür war, dass die Szene so gut wurde.
Als zweiten Höhepunkt gibt es einen Konzertauftritt von Antonio Banderas, Victoria Abril und Loles León, der auf einer Party aufgezeichnet wurde, die zur Präsentation des Films gegeben wurde. Sie singen dort alle drei zusammen das Lied 'Resistiré' von Carlos Toro und Manuel de la Calva, das Leitthema des Films. Das Lied kennt in Spanien jeder und es ist gleichzeitig wie für den Helden des Films, Ricky, geschrieben. Das Lied und der Konzertauftritt sind so schön, dass einem Tränen in die Augen treten. Und das Beste daran: Sowohl das Gespräch zwischen Pedro Almodóvar und Antonio Banderas als auch das Lied sind mit deutschen Untertiteln hinterlegt.
Bei Roman-Film finden Sie alle Kinofilme von Pedro Almodóvar.