Ein tiefgründiger, komplexer und spannender Film!
Produzent Costa (Luis Tosar) und Regisseur Sebastián (Gael García Bernal) landen in Cochabamba, Bolivien, um einen Film über Christoph Kolumbus und die Eroberungen der Spanier zu drehen. Sie haben Massenszenen mit Indios geplant und für 2 Dollar pro Tag können sie dort Heerscharen von Komparsen finden. Sie legen viel Wert auf die Auswahl der Laiendarsteller und finden echte Charakterköpfe, die gute Bilder erwarten lassen.
Doch plötzlich fangen die Dinge an, nicht mehr ganz so rund zu laufen. Ihr charismatischer Hauptdarsteller Daniel (Juan Carlos Aduviri), der den Indio-Häuptling Hatuey spielt, ist auch im richtigen Leben im Widerstand aktiv. Er organisiert die Proteste gegen die Privatisierung der Wasserversorgung Cochabambas, die immer gewalttätiger werden und außer Kontrolle geraten.
Historischer Hintergrund des Films ist "La Guerra del Agua de Cochabamba", der sich im Jahre 2000 in der bolivianischen Stadt zutrug. Auslöser war ein Vertrag, den die bolivianische Regierung mit der kalifornischen Firma "Bechtel" schloss. Der Vertrag privatisierte die Wasserversorgung der drittgrößten Stadt Boliviens und verbot allen Einwohnern, Brunnen zu betreiben, ja auch nur Regenwasser aufzufangen. Daher auch der Titel des Films. Diese Verbote und die stark erhöhten Wasserpreise ließen die arme Bevölkerung auf die Strassen strömen. Bei den Zusammenstössen mit Polizei und Militär, die sich über Monate hinzogen, gab es zahlreiche Verletzte und mindestens 6 Tote. Das Konsortium um Bechtel gab schließlich nach und der Vertrag wurde zurückgezogen.
Diese Ereignisse mit der Produktion eines Films über die Kolonisierung Südamerikas zu verquicken erweist sich als ein ausgesprochen gelungener Kunstgriff. Es ergeben sich sehr schöne Parallelen zwischen den Ereignissen vor 500 Jahren und unserer Zeit. Icíar Bollaín hat ein goldenes Händchen dafür, in sehr drastischen Bildern die grausamen Gewalttaten der Spanier zu zeigen. Ebenso gelingt es ihr, starke Bilder für das Aufeinandertreffen der protestierenden Massen mit den bewaffneten Kräften und das Verhalten der bolivianischen Oberschicht zu finden. Gleichzeitig zeigt sie die Motive, das Innenleben und die Gewissenskämpfe der Figuren und verzichtet auffallend auf Schwarzweißmalerei. Im Kolumbus-Film werden auch die Antriebskräfte der Conquista und die Zwänge der damaligen Zeit in ihrer Wirkung auf Soldaten und Mönche verdeutlicht.
Der Film wirkt aber auch auf einer dritten Ebene, indem er die dynamischen Beziehungen des Filmteams zur Bevölkerung Cochabambas beleuchtet. Regisseur Sebastián kämpft zu Beginn des Films für Fairness gegenüber den Indios und sieht sich damit in Opposition zu Produzent Costa, für den die Kosten massgeblich sind. Die vermeintlich klaren Fronten, die auch zwischen den Schauspielern verlaufen, werden dann aber durch das Geschehen in Cochabamba immer mehr durcheinandergewürfelt. Am Ende sehen sich Costa und Sebastián vor die Frage gestellt, ob sie die Fertigstellung des Films über alles andere stellen sollen oder ob es Wichtigeres gibt im Leben.
Damit wirft "También la lluvia" die Frage auf, welchen Einfluss Kino auf das kollektive Bewusstsein einer Gesellschaft und wie hier auf den spanisch/lateinamerikanischen Kulturkreis hat. Regisseur Sebastián baut darauf, die vermeintliche "Zivilisierung" des Kontinents durch die Spanier mit deutlichen Bildern zu demaskieren und über eine Veränderung des kollektiven Bewusstseins tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft zu befördern. Sein Indio-Hauptdarsteller hält ihm entgegen, dass ein Film eben nur ein Film ist und entscheidet sich, den Kampf an der Spitze der Protest-Bewegung fortzusetzen.
Iciár Bollaín hält uns den ganzen Film über mit dichter Atmosphäre und Spannung fest im Griff. Sie baut aber auch genügend ruhige Momente ein, um uns Raum zum Reflektieren und Abwägen zu geben. Die Charaktere sind hervorragend ausgestaltet und die großartigen Schauspieler, allen voran Luis Tosar, Gael García Bernal und Juan Carlos Aduviri verleihen ihren Figuren die Fülle von Emotionen, die wir brauchen um uns in sie hineinzuversetzen und ihre Kämpfe hautnah mitzuerleben.
Der Film ist großartigs Kino. Dazu eignet er sich hervorragend, um Themen wie "Situation in Lateinamerika", "Verhältnis zwischen Spanien und Lateinamerika", "Eroberung Lateinamerikas", "Rolle der Kirche bei der Eroberung", "Globalisierung und der Widerstand dagegen" zu behandeln und kann damit nicht genug empfohlen werden.
Sprache:
Die Dialoge bestehen hauptsächlich aus Alltags-Spanisch wobei sich Südamerikaner und Spanier mischen. Der Film ist gut für den Lernenden geeignet, weil die packende Handlung ihn von der ersten Sekunde an mit Leichtigkeit über alle Schwierigkeiten hinweg trägt. An Stellen, wo die Akustik nicht optimal ist, helfen die englischen (oder französischen) Untertitel weiter.
Extras:
In den Extras gibt es neben den üblichen Kapiteln ein ausgesprochen sehenswertes "Making-Of", das die Filmarbeiten sehr schön zeigt und die Themen des Films nocheinmal explizit zur Sprache bringt. Schön sind auch einige nicht-verwendete Szenen. Vor allem eine Szene mit Königin Isabella von Spanien bleibt in Erinnerung, in der die beiden Mönche erfolglos versuchen, sie von der Versklavung der Indios abzubringen.
Material für Spanischlehrer, die diesen Film im Unterricht behandeln möchten:
Finden Sie auf der Webseite: https://cineparaeducar.files.wordpress.com/2013/09/tambien.pdf
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